Im Blickpunt: Herausforderungen in Deutschland und Amerika – unsere Expertenrunde mit Analysys Mason
Unser USA Korrespondent Reto Stuber befragte die ausgewiesenen IPTV Experten John Krzywicki aus Washington DC (USA) und Cesar Bachelet aus Cambridge (UK) über die aktuelle Marktentwicklung und die Unterschiede zwischen Deutschland und den USA.
John Krzywicki ist seit anfangs 2009 als Partner zu Analysys Mason gestoßen. Er absolvierte sein Wirtschaftsstudium am MIT sowie seinen Doktortitel in Recht an der Harvard Law School. Ende der Achtziger Jahre gründete er das Unternehmen Cambridge Strategic Management Group, welches er 10 Jahre später verkaufte. Er hat Telekom-Betreiber, Technologie Anbieter (Hardware, Software, Dienstleistungen) und Telekom-Finanzierungsunternehmen (Venture Capitalists, Private Equity) auf fünf Kontinenten beraten. Als Redner war er auf über 100 Konferenzen weltweit präsent. Aktuell zeichnet er sich für den weiteren Ausbau der US-Kundenbasis von Analysys Mason verantwortlich.
Cesar Bachelet ist seit 2008 bei Analysys Mason der Senior Lead Analyst für das „Consumer Content & Applications Research“ Programm. Dieses beschäftigt sich mit den Chancen und Herausforderungen für die Festnetz- und Mobilfunk-Betreiber in einer Zeit der wachsenden Konvergenz von Telekommunikation und Medien.
Bachelet hat 20 Jahre Erfahrung in der Telco-Industrie und ist spezialisiert auf Triple-Play-Dienste (Triple Play = Telefonie, Internet und TV). Er war unter anderem für British Telecom und die Analystenfirma Ovum tätig.
Bachelet: Wir erwarten global gesehen ein ziemlich starkes Wachstum. Natürlich ist die Entwicklung in jedem Land unterschiedlich. Der treibende Faktor weltweit ist die stärkere Verbreitung von High-Speed-Breitband Netzwerken (Anm. d. Redaktion. - hierzulande also z.B. VDSL), was vielen Leuten den Zugang zu diesen neuen IPTV-Diensten ermöglicht. Die Telekom-Anbieter können über diese Netze ein Basis-TV-Angebot für ihre Abonnenten oftmals ohne signifikante Zusatzkosten anbieten und pushen ihre TV-Services aggressiv, um Skaleneffekte zu erreichen und damit die hohen Initialinvestitionen in die Infrastruktur und die Inhalte zu amortisieren.
Eine zentrale Herausforderung ist es, höhere Umsätze von den Abonnenten zu generieren, sprich diese nebst dem Basis-TVPaket für Zusatzdienste wie Premium Packages, Video on Demand etc. zu gewinnen. Damit wird der „Return on Investment“ verbessert. Dies ist nicht so schwierig in Ländern wie den USA, aber um einiges härter in Märkten wie Deutschland. Die Idee dahinter ist offensichtlich: Kunden sollen mit möglichst vielen Diensten wie Internet, Telefonie und TV an den Betreiber gebunden werden. In vielen Ländern wird außerdem in wenigen Jahren das analoge TV-Angebot über Antennenempfang abgeschaltet, was die Nachfrage nach Digitalem TV erhöht.
Bachelet: Beide Märkte haben eine hohe PayTV-Penetration - und damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. In Deutschland basieren die meisten bezahlten Abonnemente auf einem analogen Basis-TV-Angebot. Dieses wird von den Konsumenten als Gebrauchsgut wie Strom oder Wasser verstanden, und weniger als kommerzielle Dienstleistung. In einigen Fällen haben die Endkunden nicht einmal eine direkte Beziehung mit dem Betreiber, da das TV-Angebot Teil eines Dienstleistungsbündels des Vermieters darstellt. Zu diesem historischen Erbe kommt die Tatsache dazu, dass viele Menschen mit der frei über die Antenne zu empfangenden Inhalte qualitativ zufrieden sind. Anbieter von kostenpflichtigen Angeboten müssen daher intensiv um neue Kunden buhlen, unabhängig von der Plattform. Oder simpel auf den Punkt gebracht: die Deutschen sind es sich nicht gewohnt, für TV-Dienste eine Menge zu bezahlen.
Der durchschnittliche ARPU (Average revenue per User / durchschnittlicher Umsatz pro Nutzer) bei deutschen Kabelnetzbetreibern liegt bei 10 Euro oder weniger pro Monat. Der auf Premium Inhalte fokussierte Satelliten Anbieter Sky (ex-Premiere) erwirtschaftet einen ARPU von rund 24 Euro pro Monat. Dies ist weit weniger als in den USA, wo die Zahlungsbereitschaft höher liegt - DirecTV als Beispiel kassiert rund $ 90 (ca. 63 Euro) pro Monat.
Krzywicki: Die Kabelnetzbetreiber haben historisch gesehen über 90% aller amerikanischen Haushalte abgedeckt. Die Telcos wollen nun in diesen Markt vordringen, und die zwei großen IPTV Anbieter AT&T und Verizon verzeichnen ein starkes Wachstum. Durch den starken Wettbewerb zwischen diesen Anbietern profitieren vor allem die Kunden von attraktiven Angeboten.
Langfristig dreht sich der Kampf um die Kunden im Triple Play Bereich. In den nächsten Jahren werden ausserdem Wireless Angebote dazu kommen werden. Die Devise für die Anbieter lautet: je umfassender ein Service Bundle, desto stärker ist die Kundenbindung.
Bachelet: Aktuell ist Online-TV aus meiner Sicht keine große Gefahr für IPTV-Anbieter. Der Grund liegt darin, dass die meisten Angebote direkt auf den Computer konsumiert werden (müssen), was insbesondere für längere Inhalte suboptimal ist. Die meisten Leute wollen aber auch nicht in eine zusätzliche Set-Top Box investieren, welche Online-TV auf den Fernsehbildschirm bringt. Diese stellen in der Regel nur eine limitierte Auswahl an Inhalten zur Verfügung, und die bisherigen Angebote von Set-Top-Boxen wie der Versuch von Roku oder Apple TV sind aus diesem Grund nicht sonderlich erfolgreich. Die jüngere Generation hingegen ist eher bereit, Inhalte am Computer anzusehen, damit wird das Gefüge mittelfristig sicherlich verändert werden.
Bachelet: IPTV-Anbieter sind typischerweise die Letzten, welche in den Pay-TV Markt eintreten. Dies bedeutet, dass Kunden vom Kabelanschluss oder Satellitenempfang her abgeworben werden müssen oder dass das Angebot Leute ansprechen muss, welche bis dahin keine kostenpflichtigen TV-Inhalte konsumiert haben. In weniger anspruchsvollen Märkten kann es für IPTV-Betreiber ausreichend sein, Digital-TV und echtes Video on Demand anzubieten, um sich zu differenzieren – in einem stark kompetitiven Umfeld hingegen ist es schwieriger, damit ein überzeugendes Angebot zu entwickeln.
Nebst den klassischen PayTV-Angeboten sind „Catch Up TV“ Angebote populär, mit welchen man verpasste Sendungen später anschauen kann ohne diese explizit programmieren zu müssen. Exklusive Inhalte (zum Beispiel Sport wie Bundesliga) sind eine bewährte Strategie für Anbieter mit dickem Geldbeutel, dieser exklusive Content unterliegt aber zunehmend regulatorischen Eingriffen. Eine andere Art der Regulierung sehen wir wenn es um die Verbreitung von IPTV geht. In Südkorea oder auch in Ländern Lateinamerikas wurde den Telcos verboten, TV-Programme über ihre Netze zu verbreiten. Auch wenn diese Restriktionen nun teils gelockert werden, die Verbreitung von IPTV wurde dadurch in der Vergangenheit entsprechend verlangsamt.
Krzywicki: Den Rat, den ich jedem Kabelnetzanbieter gebe: bringt das Internet auf den TV. Und damit meine ich das URL basierte World Wide Web, welches wir uns vom Browser her gewohnt sind. Ich denke, dass diese Möglichkeit in etwa 5 Jahren verbreitet sein wird – aktuell sehen wir die ersten kleinen Schritte in diese Richtung. Langfristig wird eine nahtlose Nutzung dieser Medien möglich sein.
Bachelet: Es gibt eine Reihe an technologischen Errungenschaften, und auf der anderen Seite eine Veränderung im Benutzerverhalten. Die Leute wollen „Time Shift“ (zeitverzögert), und „ Place Shift“ (nahtloser Übergang zwischen verschiedenen Geräten, zum Beispiel von TV auf Mobilgerät) nutzen. Die Anbieter sollten ihre Angebote auf diese Kundenbedürfnisse ausrichten.
Eine allgemeine Übersicht über den IPTV Markt in den USA finden Sie hier.
Analysys Mason untersucht die neuesten IPTV-Entwicklungen kontinuierlich, weiterführende Informationen sind unter folgenden Links zu finden (in Englisch):
John Krzywicki, © John Krzywicki, Analysys Mason,
Cesar Bachelet, © Cesar Bachelet, Analysys Mason,
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