Teil 3

HDTV in Deutschland: Die Zukunft wird immer schärfer


Mai 2010: „Der Fortschritt geschieht heute so schnell, dass, während jemand eine Sache für gänzlich undurchführbar erklärt, er von einem anderen unterbrochen wird, der sie schon realisiert hat.” Nein, dieses Zitat stammt nicht von führenden Forschern des 21. Jahrhunderts, es war Albert Einstein, dem der Fortschritt schon vor mehr als 60 Jahren zu schaffen machte. Hält man sich nun allein die Entwicklungen der Unterhaltungselektronik der letzten 20 oder auch 10 Jahre vor Augen, so scheint der Ausspruch Einsteins mehr als aktuell.



War Anfang der Neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die VHS-Kassette das Maß der Dinge, ist inzwischen selbst das Nachfolgemedium DVD qualitativ längst durch die hochauflösende Blu-Ray Disc abgelöst. Weiterentwicklungen liegen längst in den Schubladen der Hersteller. Damit ging auch eine ständig steigende Übertragungs- und Auflösungsqualität einher. Kein deutscher Fernsehsender der nicht zumindest High Definition-Pläne hegt, oder sie gar schon in die Tat umgesetzt hat.

Doch wie viel HD braucht der Zuschauer, und wird er bereit sein, in immer kürzeren Abständen in kostspielige neue Technologie zu investieren?

Knoten geplatzt – immer mehr Sender in HD

Mit dem startenden Regelbetrieb der öffentlich-rechtlichen Programme ARD und ZDF im Februar 2010 (wir berichteten), scheint es nun offenbar kein zurück mehr zu geben. HDTV wird der neue Standard für Fernsehübertragung in Deutschland.

In anderen Industrieländern ist die Entwicklung von SD (Standard Definition) zu HD schon längst über die Bühne gegangen, zahlreiche Sender in Japan, den USA oder auch Brasilien strahlen ihr Programm schon seit Jahren in HDTV aus, zum Teil parallel zur SD-Ausstrahlung, zum Teil ausschließlich in HD. Mehr und mehr deutsche Haushalte sind inzwischen mit den passenden Fernsehgeräten und Peripherie ausgestattet, mit Blu-Ray ist das passende Speichermedium auf dem Markt und alle gängigen Übertragungswege bieten inzwischen die passenden Bandbreiten – es läuft gut für das neue Format. Nach und nach werden wohl alle Fernsehsender in HD senden.

Öffentlich-Rechtliche HD-Pläne

Die öffentlich-rechtlichen Sender konzentrieren sich dabei zuerst auf ihre Hauptprogramme ARD HD und ZDF HD, weiterhin sendet der Kulturkanal arte hochauflösend. Die Dritten- sowie die Digitalprogramme werden auf ihre Umstellung wohl noch warten müssen. Grund sind die Kosten – derzeit werden die Sender in zwei Versionen übertragen: Analog SD und Digital SD. Mit der digitalen HD-Ausstrahlung würde ein dritter Vertriebsweg hinzukommen, und das für insgesamt rund 20 Sender.

Das leistet man sich bis zur geplanten Analogabschaltung nur für die Hauptprogramme und das deutsch-französische Prestigeobjekt arte, wie Tobias Schwan vom ZDF bestätigt: „Das heißt für das inhaltlich gleiche Programm müssen drei verschiedene Verbreitungsarten finanziert werden. In diesem Zusammenhang ist der HD-Start von weiteren Programmen des ZDFBouquets nicht vor der Beendigung der analogen Satellitenausstrahlung geplant.“ Grundinvestitionen in den neuen Übertragungsstandard sind aber bereits zumindest bei allen ARD-Anstalten getätigt, produzieren die Sender doch gemeinsam das Hauptprogramm DasErste und der MDR müssen so mit HD-Technik ausgestattet sein. Allen voran der Mitteldeutsche Rundfunk, welcher für die Übertragung der Olympischen Winterspiele in Vancouver verantwortlich ist - natürlich in HD. Früher oder später werden also alle öffentlich-rechtlichen Programme in High Definition senden.

Privatsender investitionsbereit

Auch die großen deutschen Privatsender gehen den Weg in eine hochauflösende Zukunft. Die zwei größten deutschen Fernsehkonzerne, RTL und die ProSiebenSat.1-Gruppe, haben sich für eine HD-Ausstrahlung entschieden.

RTL HD und VOX HD sind bereits seit November 2009 über das Satellitenangebot HD+ des Betreibers SES Astra, und in einigen Kabelnetzen zu empfangen. Im Februar 2010 folgen ProSieben HD, Sat.1 HD und kabeleins HD. Dazu Andre Prahl, verantwortlich für die Programmverbreitung der Mediengruppe RTL Deutschland: "Wir glauben, dass HD ein Mehrwert ist, in dessen Genuss viele Zuschauer gerne kommen wollen. Daher investiert die Mediengruppe RTL trotz wirtschaftlich angespannter Zeiten in dieses Projekt, um dadurch Fernsehen für die Zuschauer und damit auch für die Werbekunden noch attraktiver zu machen.“

Doch was wird aus RTL 2, SuperRTL, ntv und N24? Dass diese Sender in nächster Zeit über einen HD-Einstieg nachdenken müssen, ist wohl durch den technischen Fortschritt und die steigenden Bildqualitätsansprüche der Zuschauer bedingt. Auf Anfrage teilten jedoch die jeweils zuständigen Sendergruppen mit, dass derzeit noch keine konkreten Termine bekannt sind.

Eine einfache Kosten-Nutzen-Rechnung offenbart auch warum. Diese fällt wohl eher zu Ungunsten des neuen hochauflösenden Fernsehens aus, denn enorm höheren Investitions-, Produktions- und Verbreitungskosten, zumal wenn diese Verbreitung parallel zur SD-Übertragung stattfindet, steht lediglich der Mehrwert der Zuschauer aber nicht unbedingt der der Sender gegenüber. Privatsender sind werbefinanziert und steigende Werbeeinnahmen sind auch mit technischen Neuerungen vorerst nicht zu erwarten. So könnten vor allem die fehlenden Finanzen zum Bremsklotz für die HD-Umstellung werden.

Simulcast oder Analogabschaltung?

Um Kosten und Aufwand zu reduzieren, wird sowohl von öffentlich-rechtlicher, als auch von privater Seite ein Komplettausstieg aus der analogen Fernsehübertragung anvisiert. Der Zeitpunkt ist allerdings strittig und je nach Übertragungsweg unterschiedlich. Am weitesten ist die Entwicklung in der terrestrischen Übertragung: Bereits im Jahr 2003 startete in Berlin in einem Pilotprojekt die Übertragung per DVB-T bei gleichzeitiger Abschaltung der analog-terrestrischen Verbreitung.

Mittlerweile können nach Angaben des offiziellen DVBT-Portals (ueberallfernsehen.de) etwa 90 Prozent aller deutschen Haushalte das digitale Antennenfernsehen empfangen. Eine Karte mit Darstellung der Verfügbarkeit von DVB-T in Deutschland schafft schnell Orientierung. Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, sollen die letzten analog-terrestrischen Sender spätestens bis Mitte 2012 abgeschaltet werden, um die frei gewordenen Frequenzen anderweitig zu nutzen. "Je eher wir den Übergang zum Abschluss bringen, umso rascher werden unsere Bürger und Unternehmen daraus Nutzen ziehen", so die zuständige EU-Kommissarin für Medien und Information Viviane Reding.

Ob und wann HDTV via DVB-T übertragen wird steht derzeit noch in den Sternen, entsprechende Tests laufen derzeit in Großbritannien und Frankreich. Laut Digitalisierungsbericht der ZAK (Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten), nutzten 2009 11,3 Prozent der deutschen Haushalte DVBT. Mehr Informationen, ob und wie Sie am besten DVB-T empfangen können, erfahren Sie in unserem Special "DVB-T Empfang".

Deutlich mehr Nutzer schauen via Satellit fern. 42,1 Prozent der deutschen Haushalte nutzten 2009 diesen Verbreitungsweg. Davon entfallen rund dreiviertel auf den digitalen Empfang, das entspricht in etwa 12 Millionen Haushalten – Tendenz steigend. Um teure Dopplungen im Simulcast (gleichzeitige analoge und digitale Übertragung) zu beenden, soll spätestens im April 2012 der Komplettausstieg aus der analogen Satellitenübertragung über die Bühne gehen. Bis dahin erwarten Experten eine nahezu flächendeckende Versorgung der Haushalte mit entsprechenden Receivern.

Weiterer Vorteil der Umstellung: Frei werdende Übertragungskapazitäten können den wachsenden Bandbreitenbedarf, welcher durch HD-Übertragung entsteht kompensieren, heißt es in einer Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Digitalisierung: „Durch die vollständige Umstellung auf digitale Übertragung können wertvolle Ressourcen effizienter genutzt sowie die Übertragungsqualität und Vielfalt der Programmangebote erhöht werden. Gerade für die Übertragung von Inhalten im High Definition Standard HDTV wird künftig mehr Datenrate benötigt.“

Dritter im Bunde der klassischen TV-Übertragungswege ist das Kabelfernsehen. Im Digitalisierungsvergleich bildet es das Schlusslicht gegenüber den anderen Technologien. 52,8 Prozent aller deutschen Haushalte nutzten 2009 Kabelfernsehen, davon lediglich 16,2 Prozent digital. Zwar sind inzwischen fast alle großen Kabelnetzbetreiber technisch im Stande, digitales Fernsehen anzubieten, doch liegen immer noch einige Stolpersteine auf dem Weg zur Volldigitalisierung der Kabelhaushalte.

Zum einen beweisen Studien, dass viele Nutzer das analoge Sender- und Qualitätsangebot als ausreichend ansehen, und nicht in Receiver investieren wollen, welche bei analogem Kabelempfang nicht nötig sind. Außerdem ergaben Umfragen, dass viele Haushalte gar nicht wissen, dass ihnen theoretisch digitales Kabelfernsehen zur Verfügung steht. Überdies waren viele Kunden der Meinung, ihr bisheriges Fernsehgerät wäre mit Digitalfernsehen inkompatibel. Eine breite Aufklärungskampagne seitens der Kabelnetzbetreiber scheint also von Nöten. Diese verwirren unterdessen mit ihren teils widersprüchlichen Aussagen über die zukünftige Ausstattung ihrer Netze, allen voran Kabel Deutschland. Der Netzbetreiber möchte sich weder klar für eine Einspeisung von HD-Kanälen aussprechen, noch einen konkreten Termin für den Analogausstieg nennen. Man begründet dies mit dem angeblichen Willen der Nutzer.

Es stellt sich allerdings die Frage, ob es in Zukunft überhaupt noch nennenswert große Nutzerkreise geben wird, die sich für analogen Empfang interessieren. Unabhängig davon forciert die deutsche Bundesregierung den Analogausstieg im Kabelnetz für 2012.

Pro7Sat1 stellte HDTV ein, um es dann doch wieder in Betrieb zu nehmen - ein Comeback

Die Pro7Sat1-Gruppe hatte sich im Februar 2008 dazu entschlossen, den Sendebetrieb für HDTV einzustellen. Mindestens bis 2010. Angeblich wären die Nutzerzahlen hinter den Erwartungen geblieben. Allerdings fragt man sich gleichzeitig, warum nicht intensiver die Vorteile von HDTV kommuniziert wurden. Immerhin konnten rund 50% der Deutschen überhaupt nichts mit dem Begriff "HDTV" anfangen. (Lesen Sie hier mehr dazu.)

Als jedoch ARD und ZDF Anfang des Jahres 2010 auf den HDTV-Zug aufgesprungen sind, konnten sich auch die privaten Sendeanstalten dem Trend nicht mehr verschließen. Und so wurde HDTV wieder aus der "Mottenkiste" geholt. Denn der HD-Trend in Deutschland nun endlich in Fahrt! Die Nachfrage nach Flachbildschirmen stieg - ein schärferes Bild und brillantere Farben waren die Auslöser. Lesen Sie hier mehr zu den damaligen Plänen in unserem HDTV-Spezial für Deutschland.

Mittlerweile bieten praktisch alle namhaften Sender eine HD-Variante. Lediglich 3sat und die meisten Regionalsender sind noch außen vor. Auch via IPTV steht dem Nutzer nun eine breite Palette von Sendern zur Auswahl.

Fazit: HDTV ist auf dem Vormarsch. Die Absatzzahlen nach Flachbildschirmen, welche diese Funktion unterstützen, steigen rapide. Konnte bis vor wenigen Jahren der Nutzer mit dem Begriff "HDTV" nichts anfangen, so haben ihn jedoch ein schärferes und brillanteres Bild gefesselt.


HD-Zukunftsmarkt IPTV?

All diese Zukunftsaussichten werfen jedoch eine wichtige Frage auf: Wie stark müssen Pixelzahlen und Bildwiederholungsraten noch steigen, um den Hunger der Zuschauer nach Neuerungen zu stillen? Oder sind es gar nicht die Zuschauer, sondern vielmehr die Industrie, welche am technischen Fortschritt im Film- und Fernsehgeschäft interessiert ist?

Sicher, HDTV bietet eine deutlich höhere Qualität als das schon lange veraltete PAL-System und die Sehgewohnheiten der Zuschauer werden sich schnell an den neuen Schärfeeindruck gewöhnen.

Doch das Ende der Fahnenstange des technisch möglichen ist noch längst nicht erreicht. Alle namhaften Elektronikhersteller wollen noch in diesem Jahr 3D-fähige Fernsehgeräte auf den Markt bringen und in Japan erprobt man bereits die UHDTV-Technologie, welche die Full-HD Auflösung wiederum versechzehnfacht, also knapp 8000 Pixel pro Zeile bietet. Das "U" steht entsprechend für "Ultra". Damit überragt man selbst die Auflösung klassischen 35mm-Filmmaterials, welche mit circa 4000 Bildpunkten pro Zeile angegeben wird, und bisher das Maß der Dinge darstellte.

Sicher werden sich ambitionierte Nutzer weltweit für die neuen Technologien interessieren und auch bereit sein, dafür in immer kürzeren Abständen Geld zu investieren. Doch zumindest in Deutschland bleibt es fraglich, ob sich auf absehbare Zeit ein großer Markt für die HD-Nachfolger und – Weiterentwicklungen finden wird, denn schließlich fehlen bisher passende Inhalte fast gänzlich. Die Spezifikationen für eine 3D-Blu-Ray wurden zwar Anfang 2010 festgelegt, allerdings existieren bisher nur eine Hand voll Filme, ein 3D-Sender ist hierzulande nicht in Sicht. Für UHDTV gibt es noch nicht einmal ein für den Massenmarkt geeignetes Trägermedium.

Wenn Albert Einstein den technischen Fortschritt Mitte des 20. Jahrhunderts schon für äußerst schnell hielt, so hat dieser rund 60 Jahre später noch einen Zahn zugelegt. Am Ende werden die Konsumenten entscheiden wie viele Bildpunkte und Dimensionen sie für ihr perfektes TV-Erlebnis benötigen und dabei wird vielleicht auch ein ganz anderer Aspekt eine Rolle spielen: Die inhaltliche Qualität – diese lässt sich nämlich nicht beliebig steigern. Hier finden Sie weitere wissenswerte Informationen und Tipps über HDTV und IPTV.


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