„Erotik in Ultra HD könnte einschüchtern“ - Interview mit Stephan Heimbecher (Sky Deutschland)

Leipzig, 06.12.2013


Stephan Heimbecher, Sky Deutschland
Ultra HD ist derzeit in aller Munde. Während die TV-Hersteller bereits erste Geräte mir der neuen Auflösung auf den Markt bringen, bedarf es auf Seiten von Produzenten und Distributoren noch einige Anstrengungen, bis die neue Technik für den Massenmarkt relevant sein wird. Im Gespräch mit Stephan Heimbecher, der sich für Sky Deutschland als Head of Innovations & Standards intensiv mit dem Thema Ultra HD auseinandersetzt und seit einem Jahr Testläufe für die neue Auflösung verantwortet, fragten wir nach dem aktuellen Stand beim deutschen Pay-TV-Anbieter und den zu nehmenden Hürden für die Einführung von Ultra HD.

IPTV-Anbieter.info: Herr Heimbecher, vielen Dank zuerst einmal für dieses Interview. Ich möchte Sie zu Beginn ganz gern erst einmal allgemein fragen: Welche Vorteile bringt die neue Auflösung Ultra HD mit sich?

Stephan Heimbecher: Mit enormer Bildschärfe, verbesserter und detailgetreuer Tiefendarstellung sowie brillanteren Farben und höheren Kontrasten, sorgt Ultra HD für noch realistischere Bilder. Besonders Sportübertragungen und Dokumentationen werden sehr stark davon profitieren. Alle, die bereits in den Genuss von Ultra HD-Bildern gekommen sind, sind davon begeistert.

IPTV-Anbieter.info: Sky hat schon einige Test-Produktionen in Ultra HD gefahren. Welche Technik musste dazu angeschafft oder verändert werden?

Stephan Heimbecher: Wir tasten uns mit unseren Testproduktionen Schritt für Schritt an eine vollständige Ultra HD-Live- Produktion heran, es fehlen jedoch noch einige Elemente, um die Kette von der Kamera bis zum Display beim Kunden zu schließen, insbesondere für eine Live-Produktion. Unsere frühen Tests wurden deshalb zuerst aufgezeichnet und anschließend in der Post-Produktion bearbeitet. Sie dienten vornehmlich einem „Kennenlernen‘‘ der neuen Technik und dem Sammeln von Erfahrungen in Bezug auf die Produktionsgrammatik.

Die höhere Auflösung birgt völlig neue Herausforderungen. Im Vergleich zu einer HD-Produktion, kann z.B. ein Kameraschwenk nur noch halb so schnell erfolgen, um etwaige Bewegungsunschärfen zu vermeiden. Es sei denn, man arbeitet mit höheren Bildraten, die dann jedoch natürlich auch höhere Bandbreiten und gesteigerte Übertragungskosten zur Folge haben. Neben Ultra HD-Kameras braucht es für eine Ultra HD-Produktion neue oder aktualisierte Tools und Geräte in der gesamten Produktionskette, vom Übertragungswagen über das Broadcast Operations Center bis hin zum Playout. Diese Umstellungen können nur schrittweise erfolgen und benötigen Zeit.

IPTV-Anbieter.info: Für die Bildsprache ergeben sich mit der neuen Auflösung ganz neue Möglichkeiten. Was haben Sie bei Sky in diese Richtung schon ausprobiert?

Stephan Heimbecher: Da der Trend generell zu größeren Displays geht, kann man aufgrund der größeren Bildfläche in Kombination mit Ultra HD auch über neue Sendekonzepte nachdenken. Die hohe Auflösung ermöglicht u.a. bei einem Fußballspiel, mit Hilfe einer Totalen, das komplette Spielfeld zu zeigen, was dem Zuschauer das Gefühl gibt, direkt im Stadion zu sitzen. Diese Totale könnte man um weitere „kleinere‘‘ TV-Bilder, die Full-HD-Auflösung haben, ergänzen, um ein Multiview-Erlebnis zu schaffen z.B. für Wiederholungen, Zeitlupen, etc..

IPTV-Anbieter.info: Meinen Sie, dass es wirklich klug ist, den Bildschirm zu unterteilen, wie im auf der IFA gezeigten Showcase der Fußballübertragung - und so mit den Sehgewohnheiten des Zuschauers zu brechen?

Stephan Heimbecher: Bei dem angesprochenen Muliview-Screen, den wir auf IFA und IBC gezeigt haben, handelt es sich um ein Konzept, das wir ausprobiert haben, um zu sehen, was mit der großen Bildschirmfläche möglich ist - in dem Fall hatten wir einen 84‘‘-Fernseher zur Verfügung. Das ist wie betont ein frühes Konzept, obwohl das Feedback darauf bereits sehr gut war. Die Unterteilung des Bildschirms haben wir allerdings in einer anderen Form schon im Regelbetrieb in Form der Sky HD Fan Zone, mit der bis zu sechs Bundesliga- oder Champions League Spiele parallel auf einem Bildschirm gezeigt werden können.

IPTV-Anbieter.info: Was wird das Zugpferd für die Einführung von Ultra HD in der kommerziellen TV-Übertragung sein? Funktioniert so etwas nur über Live-Events und Großereignisse? Könnten auch Erotik-Inhalte ein Zugpferd für Ultra HD werden?

Stephan Heimbecher: Fußball gehört neben anderen Live-Sportevents und Blockbuster-Filmen sicherlich zu den Zugpferden für eine Ausstrahlung von Ultra HD. Über kurz oder lang wird aber wohl auch bei anderen Formaten, wie z.B. bei Serien und Dokumentationen, Ultra HD eingesetzt werden. Dort geht es neben der höheren Auflösung insbesondere auch darum, an weitere Bildverbesserungen zu denken. Erotik-Inhalte sind zwar in der Vergangenheit nicht selten Treiber bei der Einführung neuer Technologien gewesen, bei der hohen Auflösung und den großen Bildschirmdiagonalen von Ultra HD, könnten Erotik-Inhalte aber auch eine „einschüchternde‘‘ Wirkung haben.

IPTV-Anbieter.info: Wann rechnen Sie derzeit mit der Einführung von Ultra-HD-Übertragungen bei Sky Deutschland?

Stephan Heimbecher: Nachdem wir bereits im Oktober 2010 mit dem Start von Sky 3D, dem ersten 3D-Sender in Deutschland und Österreich, einen Meilenstein gesetzt haben, ist es auch naheliegend, dass wir mit Ultra HD auch die nächste große TV-Revolution auf dem Schirm haben und über einen eigenen Ultra HD-Sender nachdenken. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir aber noch keinen Termin nennen, wann es soweit sein wird. Dazu müssen vorher noch einige Dinge erledigt werden, auf die wir teilweise keinen direkten Einfluss haben.

IPTV-Anbieter.info: Sky verzichtet zur WM 2014 auf die Live-Übertragung von Spielen. Konzentriert man sich in diesem Zeitraum umso mehr auf weitere Test-Produktionen in Ultra-HD? Sie werden in dieser Zeit ja kaum untätig bleiben.

Stephan Heimbecher: Nach dem Startschuss im Dezember 2012 haben wir unter anderem bei einigen weiteren Fußballspielen in der Bundesliga, im DFB-Pokal und auch in der UEFA Champions League Ultra HD- Tests durchgeführt. Wir werden auch im nächsten Jahr definitiv noch viele weitere Testläufe - auch außerhalb vom Fußballstadion - machen.

IPTV-Anbieter.info: Was ist nötig, um die Einführung breitflächig durchführen zu können?

Stephan Heimbecher: Es sind definitiv noch ein paar Meter zu gehen, bis Ultra HD den Weg zum Konsumenten finden wird. Es fehlen einfach noch einige Standards und Schnittstellen, um die enorme Datenmengen (mit der vierfachen Auflösung von Full HD fällt auch das vierfache Datenvolumen an) in sämtlichen Produktionsschritten zu bewältigen. Mit der Verabschiedung von HEVC/H.265 Anfang des Jahres, wurde aber bereits ein wichtiger Schritt gemacht, um die Distribution der Inhalte zum Kunden zu sichern, ohne dafür auch die vierfache Bandbreite aufwenden zu müssen. Im nächsten Schritt geht es darum, diesen neuen und teils sehr komplexen Standard in Encoder und Decoder (Receiver) zu implementieren, um eine Ultra HD-Ausstrahlung zu ermöglichen.


IPTV-Anbieter.info: Ab welchen Bildschirmgrößen macht Ultra HD wirklich Sinn?

Stephan Heimbecher: Die Vorzüge von Ultra HD im Vergleich zu Full HD kommen eigentlich erst auf Displays ab 65" richtig zur Geltung, setzen aber nicht zwangsweise 84‘‘ oder mehr voraus. Der Trend geht aber generell zu größeren Bildschirmen - auch unabhängig von Ultra HD -, erste Umfragen bei unseren Abonnenten haben das bestätigt. Und es scheint auch zahlreiche Zuschauer zu geben, die sich mit Dimensionen von 84‘‘ und mehr anfreunden können, sobald die Preise entsprechend gefallen sind.

IPTV-Anbieter.info: Verändert sich mit Ultra HD auch der empfohlene Sitzabstand?

Stephan Heimbecher: Für den Sitzabstand gilt prinzipiell - wie auch bei HD - „je näher, desto besser‘‘. Wichtig ist, dass keine einzelnen Pixel erkannt werden. Aufgrund der höheren Auflösung, kann man bei Ultra HD also noch näher an den Bildschirm rücken, aber auch ohne eine Veränderung des Sitzabstands ist bereits deutlich ein Mehrwert gegenüber HD zu erkennen. Diese Überlegungen beziehen sich aber nur auf die erhöhte Auflösung bei Ultra HD. Da darüber hinaus aber auch andere Bildparameter verbessert werden sollen, relativieren sich diese Aussagen.

IPTV-Anbieter.info: Könnte Sky Inhalte in Ultra HD schon frühzeitig on Demand anbieten?

Stephan Heimbecher: Wir stellen derzeit zahlreiche Überlegungen darüber an, in welcher Form, über welchen Übertragungsweg und auf welchem Gerät man Ultra HD-Inhalte sinnvoll anbieten kann. On Demand ist natürlich auch eine Überlegung, entscheidend ist aber bei allen Modellen, dass zunächst einmal Ultra HD-Inhalte verfügbar sind und diese wirtschaftlich sinnvoll übertragen werden können.

IPTV-Anbieter.info: Herr Heimbecher, vielen Dank für dieses sehr interessante Interview!


Portraitbild: © Stephan Heimbecher, Sky Deutschland


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