„Wir spendieren den Nutzern eine neue Oberfläche“ – Interview mit Michael Westphal, Gründer des Online-TV-Recorders Shift.TV
Michael Westphal: Neu ist, dass der Kunde nicht mehr jede Aufnahme einzeln neu programmieren muss. Er muss sich also nicht mehr entscheiden, was er aufgenommen haben will, sondern startet den Recorder mit einer „Aufnahme-Automatik“-Funktion. Das bedeutet, dass alle rund 35 Fernsehsender aus unserem Angebot rund um die Uhr aufgezeichnet werden, so lange bis der Speicher voll ist. Das ist momentan nach drei Tagen der Fall - dann werden die ältesten Sendungen von den neuen überschrieben. In diesen drei Tagen kann der Nutzer die Sendungen als Stream jederzeit anschauen oder er kann sie sich als Datei herunterladen und damit sichern.
Michael Westphal: Shift.TV ist der erste Online-TV-Recorder in Deutschland gewesen. 2005 sind wir auf den Markt gekommen. Und dann sind wir leider schon am zweiten Tag von RTL und Sat.1 verklagt worden. Seitdem mussten wir knapp 14 Verfahren überstehen, unter anderen waren wir zwei Mal beim Bundesgerichtshof. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof Shift.TV als einzigen Online-TV-Recorder erlaubt, wenn wir gewisse Regeln einhalten beziehungsweise erfüllen.
Das machen wir. Jetzt spendieren wir den Nutzern eine neue Oberfläche und mehr Funktionalität. Hier auf der IFA zeigen wir schon eine Anwendung auf einem Samsung Smart-TV und wir werden es auch auf Tablets und auf Smartphones für iOS und Android verfügbar machen. Und auf PCs natürlich auch, da waren wir ja immer schon.
Michael Westphal: Das ist für Anfang Dezember 2013 geplant. Der Termin hängt damit zusammen, dass die Gerätehersteller diese App erst prüfen und freigeben müssen, und das dauert einige Zeit. Wir zeigen hier bereits unsere Betaversion und für Nutzer, die das Smart-TV-Angebot noch nicht nutzen wollen, aber PC oder Smartphone haben.
Michael Westphal: Planen von Aufnahmen gibt es in diesem Sinne ja nicht mehr. Mit der Anmeldung bei Shift.TV startet der Nutzer den Aufnahmeprozess. Wir wollten weg von dem: „Hab ich das jetzt aufgenommen? Ah Mist, das habe ich jetzt verpasst.“. Die Aufnahmen sind immer da, auf allen Endgeräten für den weltweiten Abruf. Was auch ganz wichtig ist: In den Aufnahmen kann man vor- und zurückspulen oder diese auch herunterladen.
Michael Westphal: Sat.1 und die RTL-Sender sind noch nicht dabei, aber alle anderen deutschsprachigen Free-TV-Sender haben wir im Angebot.
Michael Westphal: Wir sind dran. Man muss auch immer dazu sagen: Es ist nicht so, dass wir den Sendern kein Geld bezahlen wollen. Die Sender bekommen Gebühren von uns, die letztendlich von unseren Kunden gezahlt werden. Es wird oft der Anschein erweckt, hier wolle man sich etwas nehmen - und das kostenlos. Das ist nicht der Fall.
Michael Westphal: Wir haben einmal 750 Kbit/s für die mobilen Endgeräte und wir haben 1,5 Mbit/s für Smart-TVs und PCs. Das entspricht der SD-Qualität der TV-Sender.
Michael Westphal: Ja, aber nicht so dringend, weil das natürlich auf die Kapazitäten geht. Wenn wir HD anbieten würden, dann hätten wir gleichzeitig das Problem, dass wir die vier- bis fünffache Bandbreite anbieten müssen - und damit würden wir unseren Speicherplatz zeitmäßig um 80 Prozent reduzieren. Da wissen wir derzeit noch nicht, ob sich das lohnt. Aktuell liefern wir lieber mehr Aufnahmen und nicht in HD, da viele dann doch eher über Smartphones und Tablets zugreifen. Und dafür ist unsere Qualität top.
Michael Westphal: HD bei den Privaten werden wir nicht anbieten können, da diese verschlüsselt sind, und die Verschlüsselung dürfen auch wir nicht brechen. Aber die Öffentlich-Rechtlichen sind schon ein Thema, da ist es aber eher eine kommerzielle Frage, weil dann mehr Speicherkapazitäten benötigt werden.
Michael Westphal: Ja, davon profitieren wir sehr. Wir waren in diesem Fall auch einer der Beigeladenen. Und für uns ist eben wichtig, dass die privaten Sender ihre SD-Programme für die nächsten 10 Jahre nicht abstellen dürfen. Und Sie können auch einiges tun, um SD-Material auf HD-Niveau zu bringen. Das wird zum Teil ja auch in den Sendern gemacht, und das könnten wir auch machen. Das wichtigste für uns ist aber, dass es SD-Fernsehen in den nächsten 10 Jahren auch weiter unverschlüsselt geben wird.
Michael Westphal: Es gibt daraus zwei Lehren. Erstens: Die Gerichtsmühlen mahlen sehr langsam. Von Termin zu Termin vergehen da schon einmal zwei Jahre. Wir haben leider bei einigen Terminen erleben müssen, dass die Richter nicht vorbereitet gewesen sind. Die sitzen den Verhandlungen vor und kennen die Aktenlage nicht – und dann vergehen zwei Stunden quasi umsonst. Wir haben auch festgestellt, dass ein richtiges Interesse, seitens der Richter sich einzuarbeiten, nicht immer vorhanden ist, weil sie damit rechnen, dass eine der Parteien sowieso in Revision gehen wird.
Man muss sich als Beteiligter sehr zurück nehmen, wenn man unter solchen Umständen in einem Verhandlungssaal sitzt. Ein Beispiel: Einer der Richter hat nach zwei Jahren Verhandlungen gesagt, dass der letzte Schriftsatz, der für die Verhandlung von großer Bedeutung ist, nicht bei ihm angekommen sei. Die andere Partei hatte einen Schriftsatz von 160 Seiten abgegeben und wir daraufhin mit 80 Seiten geantwortet - und das kostet richtig Geld! Da steigt mein Blutdruck ins Unermessliche. Ich muss mich da etwas vorsichtig ausdrücken, aber Sie können sich vorstellen: Das ist richtig Hardcore.
Michael Westphal: Nein, das ist nicht mehr anfechtbar, da dieses Urteil vom obersten Gericht in Deutschland gefällt wurde. Von dem, was ich eben kritisiert habe, muss man den Bundesgerichtshof auch wirklich ausnehmen. Dieses Gericht hat unserer Meinung nach sehr professionell gearbeitet, die haben genau den Kern der Sache getroffen. Am Ende ging es darum, dass wir schon sehr früh Rechte angefragt haben. Man hat uns diese Rechte mit dem Hinweis verweigert, dass es diese Rechte nicht gäbe. Das Bundesgericht hat jedoch festgestellt, dass genau jenes Recht betroffen ist. Das Besondere daran ist, dass der Rechteinhaber verpflichtet ist, Lizenzen auszugeben. Es gibt eine sogenannte Zwangslizenzierung bei bestimmten Rechten, wie zum Beispiel auch bei Patenten. Das gilt eben auch für den Bereich der Kabelweitersendung.
Michael Westphal: Das ist zwar schon eine Weile her, aber wir haben relativ früh dazu aufgerufen, uns zu unterstützen, da wir keinen Konzern im Rücken haben, sondern ein mittelständisches Unternehmen sind. Wir waren der Meinung, dass ein Onlinerecorder das gleiche Existenzbedürfnis hat wie ein Recorder, den man sich ins Wohnzimmer stellt. Und dazu haben wir einen Aufruf gestartet, der auch gut angenommen wurde. Komplett finanziert bekommen Sie so etwas durch Spenden natürlich nicht. Aber wir hatten immer gute Unterstützung von unseren Kunden und von anderen Personen.
Michael Westphal: Das Team besteht aus sechs Leuten und wir haben natürlich den Vorteil, dass wir auf Ressourcen unserer Schwesterfirma TV1 zurückgreifen können. Wir sind mit TV1 seit 1997 im Streaming-Markt tätig. Dort haben wir auch größere Kunden, wie den Bundestag, den Bundesrat, die Zentralbank, die verschiedensten Parteien sind bei uns, und auch Stefan Raab ist mit TV Total ein Kunde von uns. Wir haben so die Möglichkeit, auf große Serverkapazitäten zuzugreifen bei der Auslieferung. Wir betreiben ein eigenes Content-Delivery-Network, machen das seit mittlerweile 16 Jahren und sind damit auch Pioniere in Deutschland. Wir kennen uns also in diesem Umfeld aus und wir nutzen die Synergieeffekte.
Portraitbild: Michael Westphal - © Michael Westphal, Shift.TV
restlichen Bilder: © Shift.TV - mit freundlicher Genehmigung von Michael Westphal, Shift.TV